Workshop

Auszug aus der Zeitschrift “Wörk-Skop” 5-91

Hinlänglich bekannt ist, dass eine Corporate Identity immer auch die Anmutung und Ausstrahlung der jeweiligen, individuellen Persönlichkeit der Mitarbeiter eines Unternehmens umfasst. Diese Kenntnis wird jedoch viel zu wenig in der visuellen Außendarsteltung, die vorzugsweise “tote Materie" wie Gebäude, Maschinen oder Elektronik dokumentiert, genutzt. Joachim H. Bürger plädiert daher im nachfolgenden Beitrag für die Renaissance von Gruppenfotos als Ausdrucksmittel unternehmerischen Wirkens.

Wer kennt sie nicht, die hochglanz gedruckten Image-Broschüren der großen Konzerne, in denen die Technokraten unternehmerische Potenz durch die Abbildung großer und langweiliger Baulichkeiten beweisen. Gläserne Fassaden, die bis in den Himmel ragen, Werkshallen, die sich am Horizont verlieren, werden als visuelle Beweisführung für wirtschaftlichen Erfolg missbraucht.

Aldous Huxleys “Schöne neue Welt" stand scheinbar Pate bei Tausenden von Broschüren, Katalogen, Image-Anzeigen, Geschäftsberichten und Großfotos in den Wandelgängen der Großindustrie. Wo aber in aller Welt sind die Menschen geblieben in der modernen Welt? Sie sind verkommen zur Statisterie, “garnieren" mit freundlichem Blick das ultramoderne EDV-System, betrachten konzentriert den Abspahnungsvorgang an einer Fräsmaschine oder sitzen im weichen Fauteuil, um Business zu mimen...

So langsam setzt sich indes im Marketing die Meinung durch, dass es nicht nur die operationalen Methoden sind, mit denen Geschäfte zu machen sind. Vielmehr sind es die Menschen im Unternehmen, die den entscheidenden Einfluss auf den unternehmerischen Erfolg haben. Die Wirtschaftswissenschaftler halten für diese Rückbesinnung auf den Menschen als Mittelpunkt des betrieblichen Schaffens sogleich ein etwas peinliches Wort bereit, das um die Jahrhundertwende noch Revolutionen ausgelöst hätte: Sie sprechen vom Humankapital eines Unternehmens. Und auch die Kommunikation hat erkannt, dass es nicht mehr die flotten Werbesprüche der “Geheimen Verführer" sind, nicht mehr die lauten Verkaufsförderungsaktionen, die raffinierten Mailings, die geschickt lancierten Pressemeldungen, die den Unternehmenserfolg beeinflussen. Kommunikation im Rahmen einer Corporate Identity hat den Menschen einzubeziehen - denn immerhin ist er es, der weit über 80% des kommunikativen Dialogs betreibt! - In Telefonaten, Verkaufsgesprächen, Konferenzen, persönlichen Briefen, und, und, und...

Die Solidargemeinschaft als Leistungsbeweis
Zwei Foto-Designer aus Dortmund - Andreas Große und Michael Schaad - haben einen Trend in Bewegung gesetzt, der auf der uralten Tradition aufbaut: Das Gruppenfoto als visuelles Gestaltungsmittel.

Eine faszinierende Möglichkeit, Corporate Identity nicht durch Stahl und Glas, Maschinen und Elektronik zu dokumentieren, sondern das “Humankapital" des Unternehmens in den Mittelpunkt der Werbebotschaft zu stellen.
Was sind zweihundert Granitplatten einer Hochhausfassade gegen die Individualität von zweihundert freundlich engagierten Gesichtern einer hoch motivierten Mitarbeiterschar...

Das Gruppenfoto als Ausdrucksform unternehmerischer Qualifikation hat Tradition und erfuhr durch die beiden Dortmunder Fotodesigner eine Renaissance. Ein halbes Jahrhundert lang - von 1880 bis 1930 - gehörte es zum unabdingbaren Motivationsmaterial jedes Unternehmens. Es kam - wie so vieles in der Werbung - aus USA, wo mittels Gruppenfotos das enge Verhältnis der Mitarbeiter zum Unternehmen und zu den Erzeugnissen der Produktion sichtbar gemacht wurde. Ein Heer so genannter Wanderfotografen zog durch das Deutsche Reich und lichtete systematisch komplette Belegschaften aus Anlass von Arbeitsjubiläen, Stapelläufen, Betriebsfeiern ab. Gruppenfotos waren “in". In der weiteren Entwicklung nach 1930 jedoch schleifen sich die Belegschaftsfotos an dem allgemeinen Muster von atelierfotografischen Gruppenaufnahmen ab. Seit etwa 30 Jahren hat sich kein Team mehr mit dieser Form der fotografischen Firmendarstellung beschäftigt.

Gruppenfotos als Meisterwerk von Technik und Organisation

Der Aufwand, der notwendig ist, um gute Gruppenfotos zu machen, ist immens. Es reicht nicht aus, hundert Mitarbeiter vor die Kamera zu zerren und abzulichten. Zunächst bedarf es einer aufwendigen Kameratechnik, bei der sogar Gruppen bis zu vierhundert Personen noch klar und präzise zu erkennen sind. Dazu der individuelle “Aufbau" der Personen unter Einbeziehung von Produkten des Unternehmens. Jeder Mensch bildet einen Teil der Gesamtanmutung, jedes Gesicht muss erkennbar sein, zu den anderen “passen". So gehören Megaphon, Aktionsbühne und Filmbeleuchtung zu den unabdingbaren Requisiten bei der Entwicklung der Fotos.

Das Endergebnis ist werblich bemerkenswert:
Fotografische Unikate von eigenwilligem Reiz, die das Unternehmen als Einheit repräsentieren, Dokumente des Zeitgeistes, und sicherlich eine konsequente fotografische Umsetzung des Stichwortes “Corporate Identity". Menschen im Mittelpunkt des Unternehmens, ein Impuls zum Weiterdenken für alle die, die ehrgeizig genug sind, nach neuen kreativen Lösungen Ausschau zu halten.

Joachim H. Bürger, 42, Ist Geschäftsleiter der wbp Wirtschafts- und Gesellschaftskommunikation, Bürger + Partner KG, Düsseldorf;
unter anderem auch Autor von Fachbüchern.

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